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„DIE ZUNGE NIMMT DRECK AUF DANN HILFT NUR EINS SIE EINZIEHEN UND IM MUND DREHEN DEN DRECK DREHEN IHN RUNTERSCHLUCKEN ODER AUSSPUCKEN FRAGE OB ER NAHRHAFT IST UND AUSSICHTEN OHNE WEGEN VIELEN TRINKENS DAZU GENÖTIGT ZU SEIN ICH NEHME EINEN MUNDVOLL ES IST EINER MEINER NOT-BEHELFE BEHALTE IHN EIN WEILCHEN IM MUND FRAGE OB ER RUNTER-GESCHLUCKT FÜR MICH NAHRHAFT WÄRE UND WAS FÜR AUSSICHTEN SICH ERÖFFNEN ES SIND KEINE SCHLECHTEN MOMENTE MICH VERAUSGABEN DARAUF KOMMT ES AN DIE ZUNGE STRECKT SICH WIEDER ROSIG VOR IN DEN DRECK WAS MACHEN DIE HÄNDE WÄHREND DIESER ZEIT MAN MUSS IMMER SEHEN WAS DIE HÄNDE MACHEN.

Samuel Beckett, The Image, 1959

Die Frage ist immer dieselbe. Was bleibt, nachdem der Kunst vor 200 Jahren jede Verbindlichkeit verlustig gegangen ist? Die Figuration war es nicht, auch nicht das Abstrakte, weder das Konzeptuelle oder Performative noch die figürliche oder abstrakte Wiederbelebung. Und die neuen Medien „nach dem Internet“ werde es wohl ebenso wenig sein. Zumindest nicht pauschal oder als saisonales Heilsversprechen. Die Antwort darauf, wenn es überhaupt eine gäbe, ist immer einmalig, individuell: „man muss sehen was die Hände machen“. Hände, die jemandem gehören. Sehen, was dieser jemand mit dem „Dreck“ der Geschichte anzufangen weiß. Und dabei wird man sich die Hände und den Mund schmutzig machen, bis man für sich sagen kann, was „nahrhaft“ sein und „Aussichten eröffnen“ könnte oder besser wieder ausgespuckt werden sollte.

Jan Pleitner steht mitten in dieser Fragwürdigkeit. Das ‚Bild‘ ist zerbrochen, in ganzer Breite. Sicherheit gibt es nirgends, aber spürbares Suchen, neuen Halt zu finden (…). In der Farbe nimmt Pleitner die unterschiedlichen ‚Aggregatszustände‘ der Zeitlichkeit in eins, Gewesenes, Gegenwärtiges und Künftiges. Eine unterschiedslose Gleichzeitigkeit , in der sich das Bild auffächert wie die farbigen Partikel eines Kaleidoskops- Gleichwertig verbinden sich Oben und Unten, Vorn und Hinten, Hell und Dunkel, die einzigen scharfkantigen Farbsplitter werden zu Schwüngen, Türmen, Tropfen, Blättern, Säule, um im selben Augenblick wieder zu verfallen, offen zeigen sie ihre Herkunft und ihren Fortgang. Mit höchster Präzision hält Pleitner das Bild auf der Schwelle von Gestaltwerdung und Auflösung, lässt die Farbformen zwischen Entstehen und Vergehen zirkulieren. 

Bedenkt man Robert Delaunays Überlegungen zur Farbe, ist die Farbe auch hier ‚Form und Inhalt gleichermaßen‘. In jedem Bild bringt die Farbe alles weiterhin Sichtbare aus sich heraus zur Erscheinung. Die einzelnen Farbflächen steigern sich wechselseitig. Sie werden in- und gegeneinander gestrichen, bilden einzelne Aufmerksamkeitszentren, die den Blick kurz fokussieren und sodann wieder entlassen. (…)

Seit 2010 erschließt Jan Pleitner ein solch bildnerisches Denken ‚in Situationen‘. Bild für Bild lässt er jeden abbildhaften Naturalismus hinter sich wie eine rein formalistische Abstraktion. Es ist eine Malerei, die ihren verbindlichen Anlass erst während des Malens selbst findet. Ein jedes Mal auf dem schmalen Grat von Scheitern und Gelingen, der trotzdem ‚der Weg vorwärts‘ sein könnte, wie Beckett vorschlug.“

Auszug aus Christian Malycha, „Was für Aussichten?“ in: JAN PLEITNERTEMPERATUREN DER ZEIT, 2022

Jan Pleitner (*1984 in Oldenburg) studierte an der Kunstakademie in Düsseldorf bei Jörg Immendorff und Tal R und lebt in Ostfriesland. Am 6. Mai 2023 findet Jan Pleitners erste institutionelle Einzelausstellung in der Kunsthalle Emden statt. Dies ist die dritte Einzelausstellung in der Galerie.





„THE TONGUE GETS CLOGGED WITH MUD ONLY ONE REMEDY THEN PULL IT IN AND SUCK IT SWALLOW THE MUD OR SPIT QUESTION IS IT NOURISHING AND VISTAS THOUGH NOT HAVING TO DRINK OFTEN I TAKE A MOUTHFUL IT ’S ONE OF MY RESOURCES LAST A MOMENT WITH THAT AND QUESTION TOKNOW WHETHER IF SWALLOWED IT WOULD NOURISH AND OPENING OF VISTAS THEY ARE NOT BAD MOMENTS TIRE MYSELF OUT THAT ’S THE POINT THE TONGUE ROLLS OUT AGAIN ROS Y IN THE MUD WHAT ARE THE HANDS AT ALL THIS TIME ONE MUST ALWA YS SEE WHAT THE HANDS ARE AT …

Samuel Beckett, The Image, 1959

The question is always the same. What remains after art lost all binding forces? Neither figuration nor the abstract, neither the conceptual nor the performative, and even the recent ›post-internet‹ won’t be it. At least not across the board or as a seasonal, salvatory promise. The answer, if there was one at all, is always unique, individual: .one must always see what the hands are at.. Hands belonging to someone. Seeing how this someone launches into the ›mud‹ of history. Definitely dirtying his hands and mouth, until it is possible to tell what is ›nourishing‹ and ›opens vistas‹ or should rather be spat out again.

Jan Pleitner situates himself right amidst this dubiety. The complete ›image‹ is scattered. No certitude, just rigorous searching in order to regain its hold (…). 

Pleitner’s colour unites the diverging ›aggregate states‹ of temporality, past, present, and future. The image  fans out like the particles  of a kaleidoscope in undiscriminating ubiquitousness. Equivalently, top and bottom, light and dark are joined; the single, sharp-edged colour-splinters become swings, spires, drops, leaves, columns to dissociate immediately after; displaying their origins and their continuance. With highest precision Pleitner locates the image upon the threshold of the becoming and dissolving of matter. The colour forms circulate between emergence and decay. Considering Robert Delaunay’s thoughts on colour, it is always both .form and content.; in every painting it brings all there is to see into appearance. Colours escalate themselves, being forced against each other they form centres of attention briefly catching the gaze just to disband it thereafter. (…)

Since 2010 Jan Pleitner accesses such a pictorial thinking ›in situations‹. Image after image he leaves behind naturalist depiction as well as a formalist abstraction. It is a painting that discovers its guiding ›occasion‹ in the very painterly practice. Always on the fine line between failure and success which could regardlessly be .the way forward., as Beckett suggested“

Excerpt from Christian Malycha, „What Vistas?“ in: JAN PLEITNER. TEMPERATURES OF TIME, 2022

Jan Pleitner (*1984 in Oldenburg) studied at the Art Academy in Düsseldorf with Jörg Immendorff and Tal R and lives in East Frisia. His first institutional solo exhibition will open at Kunsthalle Emden on May 6, 2023.

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